*** Class Power! (528 Seiten) bei uns für 10 Euro / Solipreis 12 Euro ***

Das Buch Class Power! berichtet von den Erfahrungen des Kollektivs AngryWorkers in West-London. Von hier aus versorgen die zumeist prekär beschäftigten Arbeiter*innen der lokalen Fabriken und Logistikzentren einen großen Teil der Metropole Londons mit Lebensmitteln und anderen Waren.

Genau hier haben sich die AngryWorkers in Zeitarbeit und schlecht bezahlte Jobs begeben, in Logistik- und Warenlager, Fabriken für Fertigessen und 3D-Drucker, aber auch in Gewerkschaften und Freundschaften. Sie haben eine Zeitung herausgegeben, den ein oder anderen Streik angezettelt und ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut, das bei Ärger mit Bossen oder Vermieter*innen direkte Hilfe leistet. Und am Feierabend haben sie dann ihre Erfahrungen mit dieser revolutionären Organisierung niedergeschrieben.

Class Power! enthält dichte Schilderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort und erzählt von den Versuchen politischer Organisierung. Darüber hinaus besticht es durch die kluge und scharfe Auseinandersetzung mit politischen und ökonomischen Hintergründen und aktuellen Themen wie Arbeit und Migration, Automatisierung oder Reproduktionsarbeit.

Das Buch ist alles andere als eine ›akademische‹ Arbeiteruntersuchung. Basierend auf mehreren Jahren direkter Erfahrung und Intervention haben die Autor*innen aus ihren Erlebnissen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen Vorschläge für eine neue, revolutionäre Klassenpolitik entwickelt, die auf Zusammenarbeit und Kreativität im Alltag setzt.

Für all jene, die auf der Suche nach neuen Wegen in eine befreite Gesellschaft sind, ist die Lektüre ein Gewinn.

Aktuell bringen wir als AngryWorkers ein neues Magazin für unsere Kolleg*innen in zwei großen Krankenhäusern in Bristol heraus. Mehr zum politischen Hintergrund hier und die Website des Magazins findet ihr hier.

Wir verkaufen Class Power! (528 Seiten) für 10 Euro / Solipreis 12 Euro, zuzüglich 3,50 Euro Versandkosten. 

Mit dem Erlös finanzieren wir die Druckkosten von Vital Signs, unserem neuen Krankenhausmagazin.

Für die Bestellung schreibt bitte an folgende Adresse:

angryworkersworld@gmail.com

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AngryWorkers – Born in the Wild West of London

(Das Interview ist im Original in der Publikation ‘The Commoner’ erschienen. Hier ein Text über die aktuelle Situation bei AngryWorkers, auf Englisch)

Wie ist AngryWorkers entstanden?

Es gibt verschiedene Einflüsse, die uns geprägt haben. Vor AngryWorkers waren wir in einer libertär-kommunistischen Gruppe (The Commune) und einem feministischen Kollektiv (Feminist Fightback) aktiv. Wir sahen die Grenzen der traditionellen linken Politik, die hauptsächlich Broschüren schreibt und Kampagnen organisiert. Wir wollten kommunistische und internationalistische Politik in einem strategisch wichtigen Teil der lokalen Arbeiter*innenklasse neu verankern. Deshalb zogen wir in den Westen, in den Industriegürtel von London, der in dem die Logistik- und Lebensmittelindustrie konzentriert sind. Diese Entscheidung hängt zusammen mit unseren Erfahrungen innerhalb des deutschen „operaistischen“ Kollektivs Wildcat, das seit den 1970er Jahren Arbeiter*innenuntersuchungen macht und dokumentiert und als Methode vorschlägt. Arbeiter*innenuntersuchungen sind eine militante Analyse des Produktionsprozesses durch Arbeiter*innen und für die Macht der Arbeiter*innen. Die Hauptprämisse lautet: Wenn unsere tägliche Arbeit von der Zusammenarbeit Tausender anderer Arbeiter*innen abhängt, die durch die Unternehmensleitung und den Markt weltweit vermittelt wird, dann können wir diese Zusammenarbeit in eine Waffe verwandeln, in eine internationale Koordination des Kampfes. 

Ein weiterer Einfluss ist die Arbeit von „Kamunist Kranti“ (Kommunistische Revolution) / Faridabad Majdoor Samachar (Faridabad Arbeiternachrichten). Dies sind Genoss*innen in Indien, die seit den 1980er Jahren eine Arbeiter*innenzeitung mit Berichten über informelle Aktionen und allgemeinere kommunistische Ideen unter Tausenden von Industriearbeiter*innen in Umlauf bringen. Dann zogen noch Genossinnen und Genossen aus Polen zu uns, die sowohl in der syndikalistischen Organisation “Arbeiter*innen Initiative (IP)“ als auch in der Anarchistischen Föderation vielfältige Organisierungserfahrungen gesammelt hatten.

Welche Rolle wollt ihr in der revolutionären Bewegung spielen?

Wir glauben, dass die Arbeiter*innenklasse – in ihrer Totalität und dank ihrer historischen Erfahrungen – das Wissen und die Mittel besitzt, um sich zu emanzipieren. Das Problem ist, dass die Arbeiter*innenklasse in einem zerteilten und hierarchischen gesellschaftlichen Produktionsprozess existiert, der von nationalen Grenzen durchzogen ist, auf Forschungs- und Entwicklungsbüros und Montagewerke verteilt ist, auf Großbetriebe und Privathaushalte. Teile der Arbeiter*innenklasse sind überarbeitet und erleben den Kapitalismus als eine enorme, ständig zunehmende Produktivkraft, die uns aussaugt und uns relativ ärmer macht als unsere Elterngeneration. Andere Teile der Arbeiter*innenklasse sind arbeitslos und erleben den Kapitalismus als Industriebrachen, die das Kapital auf der Suche nach billigeren Arbeitskräften und höheren Profiten verlassen hat. All dies ist im Fluss, es gibt keine dauerhafte Surplus-Bevölkerung und keine dauerhafte industrielle Arbeiter*innenklasse. Arbeiter*innen wandern und das Kapital zieht herum. Was es gibt, sind sich verschiebende Konzentrationen von Arbeiter*innen, deren kollektive Macht von regionalen Aufschwüngen und Krisen geprägt ist. Das bedeutet, dass der Kampf der Arbeiter*innenklasse innerhalb materieller Grenzen und regionaler Zyklen stattfindet. Kämpfe in einer boomenden Platinminenregion in Südafrika entwickeln eine andere Kraft und Dynamik als ein Kampf in einem Pflegeheim in Yorkshire. 

Eine revolutionäre Organisation muss sich mit den am weitesten fortgeschrittenen Kämpfen verbinden und sie ermutigen, die Kluft zum Rest der Klasse zu überbrücken. Um die Produktionsmittel zu erobern, müssen verschiedene zentrale Segmente der Klasse auf internationaler Ebene zusammenkommen. Die intellektuellen und technischen Arbeiter*innen, die wesentlichen Industrie- und Landarbeiter*innen und die breite Masse der wütenden, ausgegrenzten und aufständischen Armen. Wir wollen den fortgeschrittenen Kämpfen innerhalb dieser Segmente helfen, die Barrieren zu überwinden. Dazu muss man sowohl unter den streikenden Ölarbeiter*innen als auch unter den arbeitslosen Jugendlichen, die die Raffinerie blockieren, organisiert sein, wie es zum Beispiel im Irak oder Sudan passiert. Wir sind der Meinung, dass Arbeiter*innen, die aus ihrer Klassengeschichte lernen und die Kämpfe aktiv mitgestalten wollen, eine wichtige Rolle spielen, und wir wollen uns mit ihnen organisieren.

Wie unterscheidet sich eure Arbeit von der Gewerkschaftsbewegung oder von syndikalistischen Gruppen wie den IWW oder SolFed?

Wir sehen uns nicht als Gewerkschaft, sondern als eine politische Gruppe von Arbeit*innen. Wir denken, dass der erste Schritt für die Arbeiter*innen darin besteht, ihre Situation zu analysieren und dann ihre Waffen klug zu wählen. Dazu gehört die Analyse des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeiter*innen und dem Unternehmer, aber auch der rechtlichen Situation und der Hierarchie innerhalb der Gewerkschaft. In 80 % der Fälle sind die Arbeiter*innen besser dran, wenn sie direkte, aber informelle Wege des Kampfes finden; in einigen Fällen ist es besser, einen legalen Konflikt zu führen. In diesen Fällen brauchen sie ein juristisches Werkzeug, über das sie selber verfügen, so dass sie nicht abhängig von einem abgehobenen Gewerkschaftsapparat sind. Je nachdem wie stark die Arbeiter*innen sind, können sie den offiziellen Gewerkschaften vielleicht einige Zugeständnisse abtrotzen und es schaffen, ihren eigenen Kampf innerhalb der Grenzen des Arbeitsrechts zu führen – aber dieser Rahmen ist sehr begrenzt.

Wir sehen die IWW in diesem pragmatischen Sinne, als ein begrenztes Instrument für bestimmte Umstände. Damit unterscheiden wir uns von der innerhalb der IWW verbreiteten Auffassung, dass die IWW die wichtigste Kampforganisation für die Arbeiter*innen sei. Damit unterscheiden wir uns wahrscheinlich von den meisten anarchosyndikalistischen Genoss*innen, die der Meinung sind,  dass die Arbeiter*innen der Organisation beitreten und durch sie kämpfen sollten, während wir der Meinung sind, dass wir uns als politische Organisation an den  fortgeschrittenen Punkten der konkreten Kampfes organisieren sollten. Unter den Syndikalist*innen besteht die Gefahr, dass sie den Organisationsfetisch unter den Arbeiter*innen fördern – wo die Organisation, repräsentiert durch Symbole, Fahnen und Abzeichen, die Macht hat und nicht die Arbeiter*innen und ihre tatsächlichen kollektiven Aktionen. Wir wissen, dass die Arbeiter*innen kurzfristig und vor allem in Zeiten schwacher Kämpfe einer Organisation beitreten wollen, um sich stärker zu fühlen. Das Problem dabei ist, dass die Organisation sich um jeden Preis als siegreich darstellen muss, um die Menschen dazu zu bringen, ihr beizutreten, was eine kritische Reflexion der Probleme und Niederlagen verhindert. Und, seien wir mal ehrlich, die meisten Kämpfe enden zumindest mit Teilniederlagen. Sich in Zeiten, in denen Siege schwer zu erringen sind, als siegreich darzustellen, führt oft zu halbgaren Deals mit den Bossen, die den Arbeiter*innen noch als Gewinne präsentiert werden können.

Die Macht der Gewerkschaften hat strukturelle Grenzen. Im Vereinigten Königreich war die Macht der Gewerkschaften in den 1970er Jahren sehr stark. In vielen Fabriken entschieden die Gewerkschaften, wer eingestellt wird, und bestimmten das Arbeitstempo. So eine Situation kann nicht lange andauern. Es muss eine allgemeine Machtfrage gestellt werden: Akzeptieren wir immer noch die Herrschaft des Staates, des Marktes? Im Vereinigten Königreich wurden die Gewerkschaften damals zunehmend eingekreist und Mitte der 1980er Jahre politisch besiegt. Die fortgeschrittensten Sektoren wie die Bergarbeiter wurden abgeräumt und die Arbeitslosigkeit stieg auf 15%.

Wir haben viel mit unseren anarchosyndikalistischen Genoss*innen gemeinsam – den Hass auf den Staat und die Autorität, den Drang nach direkter Aktion und Solidarität. Aber wir glauben nicht, dass Anarchismus als Utopie oder Ideologie hilfreich ist, um die historischen Bedingungen für eine Revolution wirklich zu verstehen. Hier sind wir eher marxistisch orientiert und untersuchen die tatsächlichen Widersprüche des Kapitalismus und die Potenziale der Arbeiter*innenkämpfe, auch angesichts der Tatsache, dass der Produktionsprozess heutzutage einen so sozialen und globalen Charakter hat.

In euren Veröffentlichungen sprecht ihr oft von „Solidaritätsnetzwerken“, wie funktionieren sie und wie sind sie organisiert?

Das Solidaritätsnetzwerk reagiert auf die Tatsache, dass viele Arbeit*innen marginalisiert werden und Probleme nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch mit Vermieter*innen, dem Arbeitsamt und der Ausländerbehörde haben. Wir unterstützen einzelne Arbeiter*innen durch kollektive Maßnahmen. Das allein wird aber kaum eine größere kollektive Dynamik erzeugen. Im Allgemeinen ist man dazu verdammt, einen Fall nach dem anderen durchzukämpfen, und danach kehren die Menschen zu ihren täglichen Sorgen zurück. Wir betonen daher, dass die Arbeiter*innen darüber nachdenken sollten, sich an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz zu organisieren und nicht nur Geld von ihrem ehemaligen Chef zu fordern. Wir hoffen auch, dass das Solidaritätsnetzwerk so weit wachsen kann, dass es kollektive Aktionen von Minderheiten an einem Arbeitsplatz aktiv unterstützen kann. Wir haben dies im Logistiksektor in Italien erlebt, wo Streiks anfangs oft durch die Blockade von Lagerhallen durch Unterstützer*innen verstärkt werden mussten. In strukturell stärkeren Sektoren wie der verarbeitenden Industrie mag dies nicht notwendig sein, aber in Lagerhäusern oder in der Landwirtschaft ist eine solche externe Unterstützung oft entscheidend.

Das Solidaritätsnetzwerk ist auch wichtig, um einen Keil zwischen die stärker marginalisierten Teile der Arbeiter*innenklasse und die Mittelschicht zu treiben, von der sie abhängig sind. Neu zugewanderte Migrant*innen sind auf Mitglieder der Mittelschicht ihrer sogenannten ‘Community’ angewiesen, um einen Job oder eine Wohnung zu finden. Die Arbeitslosen sind auf die Kirche, die Moschee oder den Tempel angewiesen, um zu überleben. Dies ist die Grundlage für alle reaktionären Tendenzen, da die Mittelschicht dazu neigt, die marginalisierten Elemente zu benutzen, um die organisierten Teile der Arbeiter*innenklasse anzugreifen. Das ist Faschismus. Das ist die Muslimbruderschaft. Das ist die Mafia. In der Praxis haben wir drei verschiedene wöchentliche Treffen organisiert, die durch Plakate angekündigt wurden, die wir in den Industriezonen und Wohnbezirken geklebt haben. Das Solidaritätsnetzwerk kann uns helfen, die lokale Arbeiter*innenklasse zu verstehen und Kontakte zu knüpfen. Durch die Unterstützung von punjabischen Lkw-Fahrern in einem kleinen Transportunternehmen lernten wir z.B. die Fahrer des multinationalen Luftfahrt-Caterers Alpha LSG kennen und hatten bei ihnen einen guten Stand.

Wie agiert Ihr innerhalb der Community und mit welchen spezifischen Problemen seid Ihr konfrontiert?

Aus den oben genannten Gründen neigen wir nicht dazu, von ‘Communities’ im eigentlichen Sinne zu sprechen. Die ‘indische Community’ z.B.in unserer Gegend ist durch scharfe Klassenlinien und Ausbeutungsbeziehungen gekennzeichnet. Viele örtliche Kleinunternehmer*innen, Mittelständler*innen, Politiker*innen, Vermieter*innen und religiöse Führer*innen sind ‘indisch’ und beuten die kürzlich aus Indien eingewanderten Arbeiter*innen aus und manipulieren sie. Das Gleiche gilt für die ‘schwarze’ oder die ‘muslimische Community’. Durch Kontakte am Arbeitsplatz sind wir mit anderen Arbeiter*innen verbunden – egal woher sie kommen. Wir suchen uns Jobs in den größeren lokalen Betrieben. Aufgrund der hohen Fluktuation bedeutet das auch, dass man nach einem Jahr an einem Arbeitsplatz mit 1.000 Kolleg*innen Kontakte zu einigen der neuen Arbeitsplätze hat, an die die ehemaligen Arbeitskolleg*innen gewechselt sind. Durch die Arbeit in einem Tesco-Vertriebszentrum entstanden z.B. Kontakte zu Lkw-Fahrern in Heathrow. Wir verteilen auch unsere Zeitung, auch das kann uns ins Gespräch mit anderen Arbeiter*innen bringen. 

Die Hauptprobleme sind ziemlich gut bekannt. Null-Stunden-Verträge, Schichtarbeit und lange Arbeitszeiten, Mindestlöhne. Das übliche Zeug. Das allgemeine politische System zwingt die Arbeiter*innen, sich ihren Manager*innen zu unterwerfen. Viele Arbeitsmigrant*innen aus Nicht-EU-Ländern müssen einen bestimmten Betrag im Jahr verdienen, um ihre Familie nachholen zu können. Das bedeutet, dass sie Überstunden machen müssen. Das bedeutet, dass sie es sich mit den mittleren Manager*innen nicht verscherzen dürfen, um die Überstunden zu bekommen. Außerdem gibt es die üblichen Probleme bei der Organisation der Kinderbetreuung, wenn beide Elternteile im Schichtdienst tätig sind. Oft sind sie auf Familie und Freunde angewiesen. Wir könnten über all das weinen, aber wir tun es nicht. Die Linke beklagt sich über überfüllte Wohnungen. Wir sagen: „Großartig, verwandelt sie in Orte kollektiver Hausarbeit“. Die Linke weint über Leiharbeit. Wir sagen: „Toll, wir haben nicht einmal einen Firmennamen, an den wir uns binden und dem gegenüber wir loyal sein könnten“. Die Linken schreien über den geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Wir sagen: ‘Dufte, wenigstens werden sie die Aktionen der Arbeiter*innen nicht behindern, wenn sie erst einmal da sind’. Das ist ein bisschen ultralinks, aber uns langweilen die liberalen arbeitnehmerfreundlichen Mittelschichten, die uns aus der zweiten Reihe die Ohren volljammern.

Was sind einige der größten Probleme, mit denen ihr als Gruppe konfrontiert wart, und was habt ihr getan bzw. tut ihr, um sie zu überwinden?

Das größte Problem im Komplex der Lebensmittelfabriken, in denen manche von uns arbeiteten, bestand darin, dass die Arbeiter*innen nicht zu unseren Versammlungen nach der Arbeit kommen wollten. Wir sprechen hier von vier Fabriken, die in unmittelbarer Nähe zueinander liegen, mit 4.000 Arbeiter*innen. Auch bei der Arbeit selbst ist es schwierig, sich zu unterhalten, und man kann nicht von Abteilung zu Abteilung gehen. Wir haben eine Betriebszeitung ins Leben gerufen, aber das hat nur wenige zusätzliche Kontakte geschaffen. Eine von uns beschloss, Gewerkschaftsvertreterin zu werden, obwohl das Management und die anderen Gewerkschaftsvertreter*innen eng zusammenarbeiteten. Die Arbeiterinnen malochten seit zwei Jahrzehnten an den Fließbändern und zahlten ihre Gewerkschaftsbeiträge, bekamen aber trotzdem kaum mehr als den Mindestlohn. 

Wir setzten uns für eine unabhängige Linie ein und prangerten zuallererst an, dass die Wahlen der Gewerkschaftsvertreter*innen von oben manipuliert wurden. Wir hatten alle Vertreter*innen gegen uns. Dann haben wir eine Lohnforderung von 1 £ mehr für alle aufgestellt. Die Arbeiter*innen nahmen die Forderung offiziell per Abstimmung an. Die Geschäftsleitung hatte bisher unterschiedliche Erhöhungen für verschiedene Qualifikationsstufen zahlen können, aber wir sagten, dass jeder eine Erhöhung von 1 £ pro Stunde braucht. Die Gewerkschaftsvertreter*innen versuchten, die Beschäftigten davon abzuhalten, für die Forderung zu stimmen, aber die Kolleg*innen stimmten dreimal dafür. Wir organisierten im Rahmen des Lohnkonflikts Versammlungen für weibliche Beschäftigte und Reinigungskräfte, wir veranstalteten Cricketspiele und Familienpicknicks im Park, aber die Kombination aus mangelndem Selbstvertrauen der Arbeiter*innen und der Tatsache, dass die anderen Gewerkschaftsvertreter*innen die offizielle Lohnkampagne der eigenen Gewerkschaft sabotierten, führte dazu, dass die Urabstimmung nicht zustande kam. Wir setzten die Verteilung unseres unabhängigen Newsletters fort und schlugen die folgende Linie vor: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, drängt die Gewerkschaft, Versammlungen einzuberufen, und sagt der Gewerkschaft, was ihr wollt. Wenn die Gewerkschaft nicht tut, was ihr wollt, dann tut es selbst“. Aber trotz aller Bemühungen war es schwierig, 4.000 Arbeiter*innen, die gespalten waren, deren Englisch miserabel war und die ständig schikaniert wurden, davon zu überzeugen, dass vereinte Arbeiter*innen niemals besiegt werden können. 

Das andere Hauptproblem ist also, die eigene Moral als Kommunist*innen aufrechtzuerhalten. Das kann frustrierend werden. Wir haben Spaß mit unseren internationalen Genoss*innen in Frankreich und Spanien, besuchen sie zum Quatschen, Tapas und Vino Tinto oder hängen mit unseren polnischen Freund*innen, die bei Amazon arbeiten, in Berliner Bars ab. Wir lesen über die Geschichte der Arbeiter*innenklasse, die aktuellen internationalen Kämpfe und die langen Zyklen des Kapitalismus, um über die alltäglichen Niederlagen hinauszublicken. Im Allgemeinen ist es ein gutes Leben.

Was würdet ihr sagen war euer größter Erfolg in letzter Zeit als Organisation?

Wir scheissen auf Erfolge! (Kleiner Scherz!) Es wäre langweilig, die verschiedenen vierstelligen Geldgewinne des Solidaritätsnetzwerks oder die kleinen Gewinne durch informelle Aktionen auf der Arbeit aufzuzählen. Unser größter Gewinn ist, dass wir als zwei isolierte Kommunist*innen in diese Gegend gezogen sind und nach ein paar Jahren Kontakte in drei Dutzend größeren lokalen Betrieben, einen Freundeskreis von 30 bis 40 Arbeiter*innen rund um das Solidaritätsnetzwerk und Beziehungen zu 2.000 Arbeiter*innen in unseren Betrieben hatten, die uns als Arbeiter*innenmilitante kannten und anerkannten – Militante, die vielleicht komische Dinge über die Revolution sagen, die aber ehrlich sind und keine Angst vor dem Chef haben. 

Wir knüpften auch Dutzende von Kontakten mit Genoss*innen und Kollektiven der Arbeiter*innenklasse im Ausland. Tägliche Kämpfe sind wichtig, und wir hatten einige davon, aber es ist genauso wichtig, sich langfristig vorzubereiten. Kämpfe entwickeln sich nicht allmählich, sie entstehen sprunghaft, oft ohne dass sie das Ergebnis von formalen Organisierungsbemühungen sind. Wir wollen ein Beispiel für andere Revolutionär*innen sein, und sie ermutigen, sich in der lokalen Arbeiter*innenklasse zu verwurzeln und gleichzeitig einen breiteren internationalistischen kommunistischen Horizont zu entwickeln. Wir denken, dass es uns gelungen ist, einige Genoss*innen zu ermutigen, dies zu tun.

Welchen Rat würdet ihr denen geben, die eine Gruppe wie die eure aufbauen wollen?

Lest Marx oder andere Sachen, um zu verstehen, wie das System im Allgemeinen funktioniert. Macht das gemeinsam. Unterstützt euch gegenseitig in eurem täglichen Leben. Sucht euch ein Gebiet aus, das aus politischer Sicht interessant erscheint, vielleicht weil es dort größere Betriebe oder neue Arbeiter*innenfiguren gibt oder weil es dort schon früher Kämpfe gegeben hat. Ihr könnt leicht ein Solidaritätsnetzwerk aufbauen und sehen, was dabei herauskommt. Es ist jedoch interessanter und fruchtbarer, selbst in größeren Betrieben zu arbeiten. Es gibt eine Menge Literatur, falls ihr neu in dieser Art von Umfeld seid, in schlechten Wohnsiedlungen, in größeren Betrieben… Es gibt viele Genossinnen und Genossen, die diesen Schritt vor euch getan haben und aus den Tiefen der Geschichte zu euch reden. Noch wichtiger als Marx: Lernt von den anderen Arbeiter*innen in eurem Umfeld. Selbst wenn du vier Bücher gelesen hast, sei bescheiden. Gründet eine lokale Publikation für Arbeiter*innen, mit Berichten über die Bedingungen und Kämpfe am Arbeitsplatz, darüber, was andere Arbeiter*innen anderswo auf der Welt tun, und darüber, wie unser täglicher Kampf mit unserer Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft zusammenhängt. Bleibt nicht auf der lokalen Ebene kleben, isoliert euch nicht. Sprecht mit anderen Genossinnen und Genossen aus aller Welt. Denkt darüber nach, was im größeren Spiegel von Raum und Zeit zu tun ist.

Gibt es noch etwas, das ihr hinzufügen möchtet, etwas, das wir noch nicht behandelt haben?

Es gibt noch viel mehr zu sagen, aber das könnt ihr in unserem Buch „Class Power!“ nachlesen. Und wirklich, wenn ihr in ähnliche Richtungen denkt und fühlt, dann meldet euch bitte. Wir treffen uns regelmäßig mit Genossinnen und Genossen aus aller Welt und können euch beim Aufbau einer lokalen Gruppe durch Erfahrungsaustausch helfen.

Und kauft ein Buch und sagt uns, was ihr denkt!